Ich gebe zu, dass ich ein wenig frohlockt habe, dass der grüne Höhenflug offenbar seinen Zenit überschritten hat. Freilich ganz überraschend ist das nicht. Es gibt derzeit sicher keine Partei, die derart viele Widersprüche auf sich vereint wie die Grünen.
Die wohl wohlwollendere Argumentation der Grünen diesbezüglich dürfte sein, man habe sich mittlerweile den Status Splitterpartei längst hinter sich gelassen und dürfe sich mit Fug und Recht als Volkspartei bezeichnen. Das sei es doch völlig normal, dass man eine bunte Vielfalt unterschiedlicher Meinungen auf sich vereint.
Nun das mag zunächst recht schlüssig klingen, passt aber auf den zweiten Blick nicht mehr so recht.
Es gibt in Deutschland keine Partei, die sich derart verändert hat wie die Grünen. Längst vorbei die Zeiten in den sich die Ökopartei aus der Friedensbewegung, linken Sozialisten, versprengten K-Grüpplern und einer breiten Anti-AKW Bewegung zusammengesetzt hat. Ja doch, na klar irgendwie schwebt der Mythos noch immer über allem, den Tatsachen entspricht das freilich nicht mehr.
Der Jahrzehnte lange fortwährende Kampf zwischen den Fundis und den Realos ist längst entschieden. Nicht jedoch weil die Fundis, das sind die –um das jetzt mal plakativ zu untermalen- vollbärtigen Ökos mit ihren selbstgestrickten Norwegerpullis, jetzt zu besseren Einsicht gekommen wären, sie sind schlichtweg weg. Da mag auch nicht viel helfen wenn Claudia Roth und Christian Ströbele wie Generäle auf dem Schlachtfeld das linke Banner hochhalten, die Armee hat sich längst aufgelöst, oder besteht bestenfalls aus ein paar 18 jährigen Abiturienten von Land die in die Partei immer noch was rein interpretieren, was längst nicht mehr da ist oder zwei, drei Althippies, die längst den Boden der Realität verlassen haben.
Das ist natürlich auch nicht ganz verwunderlich. Vergleichbar ist es sicher wenn man mit dem Einkaufswagen durch den Supermarkt rockt. Die meisten Leute neigen dazu, Bio-Produkte recht bedenkenlos in den Einkaufswagen zu packen, während man bei den anderen schon mal recht kritisch durchliest was da so alles Leckeres reingepackt wurde. Dass eben jene Bioprodukte –das wird schon durch die inflationäre Verwendung des Begriffs deutlich, meist kaum besser sind. Oder aber das Produkt ist in Ordnung, wurde aber -ökologisch betrachtet eine Katastrophe- über den halben Weltball gekachelt. Neulich hatte ich tatsächlich gelesen, dass ein Energiekonzern jetzt neu Bio-Erdgas anbietet. Aber das führt jetzt zu weit.
Bei Parteien scheint das ganz ähnlich zu laufen. Weil bei den Grünen irgendwas mit Umwelt und hübschen Sonneblumen draufsteht schaut da keiner so richtig hin.
Wem bei dem Begriff ‚Partei der Besserverdienenden’ immer noch reflexartig die FDP einfällt, dem sei ein Blick auf die grünen Strukturen empfohlen. Der Löwenanteil der Unterstützer der Grünen rekrutiert sich aus privilegierten Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, mittlere Angestellte, Freiberufler und Selbständige.
Das wiederum mag erklären, warum sich der einstige Bürgerschreck-Partei zu einer Partei der Staatstreuen und Loyalen entwickelt hat. Liberales Gedankengut kommt bei den Grünen bestenfalls in abstrahierter Form vor, vielmehr möchte man nahezu alles staatlich reguliert wissen.
Darüber hinaus neigen Beamte –und damit eine der mächtigsten Gruppen der Grünen- zu einer ausgeprägten Veränderungsintoleranz. Der natürliche Reflex drauf ist die Reduktion der Komplexität des Alltags, die Auswüchse dessen eine zwanghafte Gleichmacherei was die bunter Vielfalt des Lebens ausmacht. Die Gleichmacherei mit der oben erwähnten staatlichen Regulierung gepaart, bringt das Wesen der Grünen recht einfach auf den Punkt.
Nach dem Malen-nach-Zahlen-Prinzip wir eine Gesellschaft entworfen, die in ihrem Wesen gleich, gleichberechtigt, einheitlich ist.
Der Wirtschaftsphilosoph Habermann beschreibt in der Welt, dass die Gerechtigkeit bei den Grünen längst dem Begriff der Gleichheit gewichen ist.
Das läst sich recht einfach an der grünen Politik ablesen, Einheitsschulen, Studienreform, Gendermainstream und so weiter.
Erst in der jüngeren Vergangenheit mag hinzugekommen, dass man die Gleichmacherei durch staatliche Regulierung erzwingen will. Um eine Gesellschaft in eine Schablone zu pressen fängt man am besten beim Individuum an.
Genüsse in jeglicher Form entsprangen in der Vergangenheit stets dem persönlichen Lebensentwurf des Einzelnen, dem Privaten. Mittlerweile ist nichts von alledem mehr vor den Phantasien für staatliche Regulierung vor den Grünen sicher. Grundsätzlich wird alles an den Maßstäben der Gesundheit und Ökologie bewertet und der berühmte Handlungsbedarf geschaffen.
Der Begriff Idiot in seinem griechischen Ursprung bezeichnet einen Menschen, der nicht zwischen öffentlich und Privat unterscheiden kann. Das kann uns nur zum Schluss führen, dass es sich bei den Grünen einerseits grundsätzlich um Idioten handelt, anderseits die Grünen all ihre Mitmenschen wie Idioten zu behandelt gedenkt. Auch eine Form der Gleichmacherei.
Werfen wir trotzdem nochmal einen Blick in die Vergangenheit. Die Grünen als Friedenspartei haben spätestens ausgedient, seit man Mitte der 90er olivgrün über den Balkan gerobbt ist. Das Thema wurde längst an die Linke verloren.
Die Grünen als ‚linke’ Partei oder weicher formuliert als soziale Partei ist durch die Lenkung der Investitionen nach ökologischen Maßstäben verloren gegangen. Nehmen wir hier als einfaches Beispiel die Forderung der Solarenergie. Es mag einleuchten, dass hier in aller Regel Hauseigentümer profitieren, die überhaupt etwas besitzen, auf das man die Solarzellen nageln kann. Freilich müssen im Unkehrschluss die gezahlten Subventionen wieder refinanziert werden. Das wiederum triff die Gesellschaft im Gesamten, also auch die die Ihr Leben ohne Eigenheim zu fristen gezwungen sind.
Und schließlich die Grünen als die Bürgerschreckpartei. Der Kabarettist Deutschmann hat bereits vor Jahren prophezeit, dass im Laufe der Jahre Joschka Fischers Attacke auf den Bundestagspräsident (‚Mit Verlaub Herr Präsident Sie sind ein Arschloch’) verklärt wird und irgendwann nur noch als berühmte Arschlochlüge durch die Öffentlichkeit geistert. Nein die Grüne Partei, die noch ein Hauch von Revolution umweht hat gibt es längst nicht mehr. Joseph Boys –eines der Gründungsmitglieder der Grünen hat noch in den 70er Jahren festgestellt, dass die Politik längst zum Feind des Volkes geworden ist. Die Grünen wiederum sind längst zum Teil der Obrigkeitstreuen Politik geworden.
Das was man als Gegenreflexe –wie etwa bei Stuttgart 21- bezeichnen könnte, ist schlichtweg Humbug. Den ‚Wutbürger’ gibt es nicht, zumindest nicht für all jene die es gewohnt sind ihre Bürgerrechte wahrzunehmen. Das ist bestenfalls eine Erfindung jener, die Basisdemokratie gerne romantisch verklären. Letztlich geht es bei diesen Protesten, es spielt keine Rolle ob es gegen den Bahnhof oder gegen das Windrad in der Nachbarschaft ist, lediglich um das Sankt Florians Prinzip, wenn die Gefahr droht, dass es Veränderungen in der eigenen kleinen heilen Welt gibt.
Die Grüne Partei als Spitze der Anti-AKW Bewegung? Auch das trägt bisweilen groteske Züge. Viele der echten Aktivisten haben sich längst von den Grünen losgesagt, zumal sich der eine oder andere noch lebhaft daran erinnert, dass Trittin selbst während der rot-grünen Regierungszeit die Proteste gegen den Castortransport untersagt hatte.
Auch wenn die anderen Parteien das Thema längst besetzt haben, ändert es nichts daran, dass die breite Masse die Grünen immer noch mit dem Atomausstieg in Verbindung bringen.
So sehr man kurzfristig von Fukushima profitiert hat, so sehr wird das Thema in der Zukunft Löcher reißen. Der Atomausstieg scheint besiegelt, das Thema rutscht immer mehr vom Tisch.
Damit werden die Grünen das letzte Stück Identität verlieren, quasi den kleinsten gemeinsamen Nenner des bunten Sammelsurium.
Wofür stehen die Grünen eigentlich jetzt.
Nun so richtig scheint das niemand mehr zu wissen. In Freiburg, wo gut situierte Grüne ganze Stadtviertel in einen Auto freien Bioladen umwandeln, scheint man ganz andere Vorstellungen zu haben wie in Berlin oder Hamburg.
Das wiederum muss wohl Renate Künast derzeit in Berlin feststellen. Wer mit den Freiburger Ideen in Berlin antritt muss recht schnell feststellen, dass das mit den dortigen Vorstellungen so gar nicht kompatibel ist. Teile der Berliner Grünen fordern eine Freigabe des Hanfes, wer dem flächendeckende Rauchverbote und eine blumig beschriebene drogenfrei Welt entgegen setzt, braucht sich doch allen Ernstes nicht wundern, dass man sich dem Vorwurf des Öko-Spießertums ausgesetzt fühlt.
Während man im beschaulichen Tübingen oder Freiburg von Autofreien Arealen träumt, wird man sich die Augen reiben, dass die Berliner noch nicht einmal was von einer flächendeckenden Tempo30 Zone halten.
Mann kann die Widersprüchen in der Partei nicht deutlicher zur Schau stellen indem man Kretschmann, als biederen, eher konservativen Grünen auf die Berliner Welt loslässt.
Den Grünen würde zunächst ein Blick auf die eigene Partei genügen um festzustellen, dass im eigenen Laden alles andere als ein schlüssiges Konzept und klare Strukturen herrschen.
Hier könnte ein wenig Gleichmacherei sogar noch was bewirken.