Bis gestern galt es noch als eine Art Wunderwaffe der demokratischen Willensbildung:
Die Volksabstimmung.
Der dicke Siggi hält sie für eine gute Sache und hätte sie gerne im Parteiprogramm der SPD, die ÖDP sowieso, ist es für die Radikalökologen –neben irgendwelchen spektakulären Prozessen- doch die einzige Möglichkeit auf der politischen Bühne mitzumischen.
Und dann passiert der Supergau. Das Schweizer Volk entscheidet sich dafür den Bau von Minaretten zu untersagen. Genau das haben wir uns so noch nicht intensiv genug überlegt.
Was machen wir wenn das Volk dumm, undemokratisch und für andere Vorraussetzungen beschließt?
Wir dürfen die Volksabstimmung in der Schweiz gerne in Zusammenhang mit dem Volksbegehren der Gesundheitsfanatiker in Bayern in Zusammenhang bringen –auch wenn es sich bei Letzteren im Moment noch um ein Zulassungsverfahren handelt.
Die grundsätzliche Gemeinsamkeit beider Projekte ist die, dass tatsächlich mehr bzw. etwas anderes zu Debatte steht, als nach außen plakatiert wird.Um das etwas zu verdeutlichen bietet sich das vier Seiten Modell der Kommunikation von Schulz von Thun an.
Das Modell geht davon aus, dass jede Botschaft aus vier Komponenten besteht. Im Fall des ÖDP Volksbegehren könnten sie so aussehen:
Auf der Sachebene ist die Botschaft recht klar: Komplettes Rauchverbot in der Gastronomie. Die Selbstoffenbarung der Unterstützer dürfte ebenfalls auf der Hand liegen: Wir hassen Raucher und uns wäre am liebsten wenn sie von der Bildfläche verschwinden. Dies korespondiert mit der Botschaft der Beziehungsseite: Raucher sind asozial, wir sind was Besseres und versuchen uns soweit als möglich davon abzugrenzen. Schließlich der Appell der hinter dem Volksbegehren steckt: Eigentlich müsste Rauchen komplett verboten werden, soweit das nicht möglich ist versuchen wir die Raucher wo es nur geht aus dem öffentlichen Leben zu drängen.Eine Einschätzung, die die EU Gesundheitskommissarin im Übrigen wesentlich deutlicher ausspricht. Letztlich gehe es hauptsächlich darum, mit umfassenden Verboten die Raucher gänzlich zum Abgewöhnen zu bewegen. Erstaunlich, dass hier vom angeblichen Gesundheitsschutz von Passivraucher und so Zeugs quasi gar nichts mehr übrig geblieben ist.
Fast höre ich die Moralisten schreien: man kann doch die Minarette nicht mit dem Nichtraucherschutz vergleichen. Doch ich kann.
Genaugenommen sind die vier Seiten in der Kommunikation der Schweizer ganz ähnlich gelagert. Einen genauen Hinweis finden wir auf der Webpage der Initiatoren. Dort heißt es „wer Minaretten baut, will auch bleiben“. Also auch hier geht es auf der Appellseite gar nicht so sehr um die Gebäude selbst, sondern darum dass die Mitmenschen mit muslimischem Migrationshintergrund bitte schön aus dem Käseländchen verschwinden sollen.Ganz ähnlich wie im Falle der Raucher, sollen sie aus dem öffentlichen Leben verdrängt werden, ganz abhauen oder zumindest ihrer Religion zumindest abschwören. Auch hier geht es um die moralische Selbstüberhebung der Eidgenossen über Mitmenschen anderer Glaubensrichtungen, um Objekte, die ohnehin niemand je betreten würde. Die Minarette sind sozusagen die Raucherclubs der Schweiz.
Im Übrigen werden –ganz ähnlich wie in der bayrischen Gastronomie- unnötige und bislang nicht bezifferbare wirtschaftliche Einbußen die Schweiz heimsuchen. Wer glaubt den allen Ernstes noch, dass beispielsweise Saudi-Arabien noch gerne Geschäfte mit der Schweiz machen möchte. Wäre ich ein militanter Nichtraucheraktivist, würde ich sagen: Was stellen die sich so an, wenn sie beten wollen, sollen sie doch raus auf die Straße gehen.
Wie dem auch sein, das basisdemokratische Instrument bringt schwere politische Verwerfungen mit sich. Die Schweiz disqualifiziert sich damit erstmal als EU Beitrittskandidat, was angesichts der derzeitigen EU für die Eidgenossen sicher das kleinste aller Probleme sein dürfte.
Den Initiatoren des hiesigen Volksbegehrens dürfte hingegen die Schweizer Abstimmung recht wurst sein. Daher ist es gar nicht so sehr verwunderlich, dass im gesamten deutschen Pressewald einzig die Passauer Neuen Nachrichten, die sich in den letzten Tagen ja als so was wie das Sprachrohr der des bayrischen Volksbegehrens positioniert haben, quasi das einzige Käseblättchen war, das Verständnis für das Schweizer Votum aufbrachten.
Im Grunde genommen höre ich den einen oder anderen ÖDPler schon zustimmend nicken….hmmhmm, Minarettverbote könnten wir als nächstes Volksbegehren anschieben.
Die Jungs von der DVU wären sicher auch wieder mit dabei. Oder wie es Humphrey Bogart es einst in Casablanca ausgedrückt hat: Ich glaube das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.