Was sind wir nur für ein verkommenes Volk geworden?
Schon wieder mal muss die Presse über einen aufrichtigen Deutschen berichten, der der deutschen liebster Tugend, dem Denunziantentum frönt.
Wir haben noch deutlich im Hinterkopf, als einer jener Zeitgenossen, die man für gewöhnlich gerne als Khorintenkacker bezeichnet, den Altkanzler Schmidt wegen Körperverletzung (oder war es versuchter Mord?) angezeigt hat, als er an Neujahr in einem Hamburger Theater geraucht hat. Freilich erst dann als ihm ein Kellner ohne Aufforderung einen Aschenbecher bereitgestellt hatte.
Von einer offenbar ähnlichen Motivation getrieben, wie damals Herr Keyser, hat nun ein deutscher Erbsenzähler, Hape Kerkeling angezeigt. Nicht wegen Rauchen, sondern wegen Telefonieren am Steuer. Und Curry-Wurst essen.
Hintergrund ist die Comedy Serie „hallo Taxi“ in der Kerkeling den Taxifahrer „Günther Warnke“ mimt, der sich nach Ansicht des aufmerksamen Zuschauers, der „Straßenverkehrsgefährung“ schuldig gemacht hat.
Dumm nur, dass es sich um einen fiktive Rolle handelt und die Anzeige eben gegen Warnke und nicht gegen Kerkeling gestellt wurde. Jene Person ausfindig zu machen, stellten die deutschen Behörden logischerweise vor ein erhebliches Problem, gibt es diese Person ja nicht wirklich. Bis der tatsächliche Verbrecher Kerkeling ausfindig gemacht werden konnte, lag das Delikt mehr als sechs Monate zurück und gilt damit als verjährt. Natürlich hätte der Komiker das Busgeld verkraften können, aber das ist ja auch nicht das Problem.
Der springende Punkt ist vielmehr, dass wir –unsere ausländischen Freunde vermuten das bereits seit Jahrzehnten- ein Volk sind, dass nicht nur durch eine beispiellose Humorlosigkeit besticht, sondern auch eine gnadenlose Obrigkeitstreue an den Tag legt, wie Rotweinflecken am Revers. Das geht nie wieder raus, wir werden damit leben müssen. Noch viel schlimmer dürfte sein, dass wir damit leben müssen, dass einige offenbar stolz darauf sind so zu sein.
Wahrscheinlich ist ein überzogener Moralbegriff das Rückgrat dieser Verhaltensweisen, deren Kür das Denunziantentum ist.
Politische Forderungen nach einer Verstärkung der Überwachung, dürften hierzulande längst ad absurdum geführt sein. Dort wo diese Überwachung an Ihre rechtlichen Grenzen stößt wird dieses Vakuum längst von aufrechten Deutschen übernommen, die offenbar den größten Teil ihrer Freizeit damit verbringen, die Verhaltensweisen ihrer Mitmenschen zu kontrollieren.
Augenscheinlich ist es nicht nur der hässliche Purismus, der die deutschen Zeitgenossen ist permanente Angst versetzt, es könnte irgendwo irgendjemand geben, der möglicherweise glücklicher ist als man selbst, es ist nicht nur das mangelnde Selbstbewusstsein, dass man gekonnt mit einer überlegenen Moral kompensieren möchte, es ist auch irgendwie eine deutsche Tugend.
Eine Tugend, die wir in jüngster Geschichte zweimal perfektioniert haben; sowohl Gestapo als auch Stasi bildeten das Fundament für undemokratische Systeme. Wobei man unseren ostdeutschen Mitbürgern zugute halten muss, dass es offenbar nahezu eine Million Menschen benötigte und rund 15 Millionen in Schach zu halten, wohingegen die Gestapo „nur“ knapp 40 Tausend Mitglieder benötigte. Daraus kann man ableiten, dass die Bereitschaft aus dem Volk den Nachbar zu verpfeifen deutlich geringer war als im dritten Reich. Und offenbar auch deutlich geringer als in unserer Gesellschaft.
Längst ziehen selbsternannte Ordnungshütern durch die nächtlichen Straßen um in dunklen Kaschemmen Raucher auszuspüren, um sie –selbst wenn sie unter sich sind – zum outdoor smoking zu zwingen. Natürlich würden die Kontrollfetischisten eine derartige Lokalität nie als Gäste heimsuchen, aber schließlich muss Recht, Recht bleiben. Ungeniert rufen Nichtraucherinitiativen zum fröhlichen Denunzieren auf, freilich nicht als Recht sondern als unumstößliche Pflicht,quasi gegen den Untergang der abendländischen Kultur.
Merkwürdigerweise fällt mir dabei immer eine Szene aus dem Film „the big Lebowski“ ein:
Als die Jungs mal wieder Bowlen sind, übertritt Smokey beim Wurf die Kontrolllinie. Als alle Mitspieler ein Auge zudrücken wollen und die geworfene Acht als Ergebnis notieren wollen, entbrennt mit Walter Subjekt, ein aufrichtiger Zeitgenosse eine hitzige Diskussion, in deren Verlauf eine Knarre zieht, sie Smokey an den Kopf hält und die Worte brüllt:
„Schreib eine Null auf, bin ich den Einzige hier dem Regeln noch irgendwas bedeuten?“.
Schöne Szene. Auch einigermaßen treffend für die Situation in Deutschland.
Ob es der Rumstänkerer ist, der sich dem Thema Falschparken gewidmet hat, der sich auf die Meldung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung verlegt hat, der die Gesundheitsmaßstäbe für die Mitmenschen festlegt oder gar die korrekte Mülltrennung überwacht und denunziert, meist schaffen sie es im Umkehrschluss prima wegzusehen, wenn der Ausländer in der U-Bahn verprügelt wird.
Denunziation ist nicht nur eine deutsche Tugend, sondern wird nicht selten von Deutschtümelei begleitet. Zumal nach deren Ansicht der Syrier ja per se verdächtig ist, weil er grundsätzlich ein anderes Hygieneverständnis habe, oder der Muslim sich generell nicht politisch korrekt verhalten könne, weil er ja allgemein überhaupt keine Ahnung von Politik habe.
Ich bin mir recht sicher, dass der Begriff Blockwart in diesem Zusammenhang angebracht zu sein scheint, da zweifellos das zwanghafte „nach dem Rechten sehen“ –im doppelten Sinne des Wortes eine neue Dynamik erhalten würde, wenn wir kostenlos Uniformen zur Verfügung stellen würden.
Wir denken daran wenn wir eines Nachts Siegfried Heilbad mal wieder begegnen, der wieder mit seiner Schwäbischen Allianz (kurz SA) marschiert um die deutschen Tugenden zu verteidigen.
Monats-Archive: Juli 2008
Alles Porno oder was?
Was um alles in der Welt ist denn im Moment los?
Nahezu im Stundentakt verlässt Schwachsinniges die Ministerien, ich bin im Moment nur noch fassungslos.
Erst vor wenigen Tagen wurde nun das neue Sexualstrafrecht verabschiedet. Ein Machwerk, dass uns unter den Gesichtspunkten der Sexualität in die 50er Jahre zurück katapultiert.
Da wird Pornographie mit Minderjährigen verboten. An sich eine vernünftige Sache, entscheidend ist allerdings nicht das tatsächliche Alter, sondern quasi das gefühlte Alter.
Interessant ebenfalls ist die deutsche politische Definition von Pornographie , die –entgegen der EU Richtlinien hinter denen man sich ach so gerne versteckt- über das Visuelle deutlich hinausgeht. Gemälde, Schriften, Lieder, alles Porno oder was.
Wir denken dabei an die Schlager der 60er Jahre. Siebzehn Jahr, blondes Haar, ein Fall für den Staatsanwalt. Schwachsinn de Luxe.
An einigen Beispielen wir die Dummheit besonders deutlich: Wenn eine 18 Jährige einen 17jährigen Freund hat, ist das alles noch völlig in Ordnung. Im Bett können die machen, wonach Ihnen gelüstet, ficken in allen erdenklichen Stellung, dürfen alle denkbaren Körperflüssigkeiten austauschen. Wehe aber das Mädel wird von der Muse geküsst und sie malt Ihren Freund nackt, dann kann sie den Rest Ihres Lebens in Gerichtssälen verbringen.
Ein anderes Beispiel betrachtet die Sexualität unter einer Zwangslage. Stellen wir uns oben genanntes Pärchen noch mal vor. Der Junge hat Stress mit seinen Eltern, kommt zur Freundin um bei ihr zu übernachten. Klassischer Fall von strafbarer Notlage.
Das übelst Perverse an dieser sinnlosen Gesetzgebung ist, dass derart viele juristisch Fallstricke beinhaltet sind, dass das zweifellos eine Vielzahl an unsinnigen Ermittlungen und Strafverfolgungen nach sich zieht, was wiederum Kapazitäten bindet, die man für echte Kindesmisshandlungen dringend benötigt.
De Facto sind die wahren Kinderschänder die einzigen, die von diesem Gesetz profitieren werden.
Ganz nebenbei habe ich dann so mitbekommen, dass die SKL Show aus dem Fernsehprogramm genommen wurde. Offenbar geht’s hier um einen dringend benötigten Schutz vor der teuflischen Spielsucht. Aha. Wäre mir jetzt so direkt nicht aufgefallen. Immerhin geht der staatliche Schutz soweit, dass Lottospielen im Internet ab 2009 verboten ist. Da ich weder Zeit noch Lust habe irgendwelche muchtigen Lottobuden aufzusuchen, werde ich wohl mein Glückspiel einstellen. Wahrscheinlich müsste ich das Frau Bätzing gesondert mitteilen bevor man wieder irgendwelche Phantasiestudien zusammenschustern muss, die belegen, dass ich nunmehr geheilt bin. Das schöne daran ist, dass ich dann wahrscheinlich soviel Geld übrig habe, damit ich spielend die steigenden Kosten für die Sozialsystem bezahlen kann.
Nein nein ganz so einfach ist es nicht. Der angebliche Handlungsbedarf bei Spielsüchtigen ist schlichtweg gelogen, es geht um ganz was anderes.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2006 festgestellt hat, dass es eigentlich keinen Grund für ein staatliches Glücksspielmonopol gäbe, außer vielleicht wenn man Suchtprävention betriebe, mögen die Regierenden mal kurz zusammengerechnet haben, was man an der Zockerei denn so verdienen kann. Will heißen bevor man auf die Milliardeneinnahmen verzichtet tut man einfach mal so als wäre alles irgendwie zum Wohle der Menschen und lügt uns wieder irgendeinen Scheißdreck –man möge mir bitte nachsehen, dass ich zunehmend weniger in der Lage bin Contenance zu bewahren- vor, das wäre alles zu unserem Besten.
Natürlich gibt es Spielsüchtige, aber mal Hand aufs Herz, kennen sie einen Lottospielsüchtigen?
Dagegen gibt es in Deutschland 1,5 Millionen Medikamentenabhängige, die in Bätzings Märchenbuch bestenfalls eine kleine Fußnote abgeben. Klar niemand beißt die Hand die einen füttert.
Aber das allerbeste kommt dann zum Schluss. Das Bundesverkehrsministerium arbeitet an einem Verbot fahrfremder Tätigkeiten während der Fahrt. Als solches könnte beispielsweise Rauchen, Zeitung lesen, CD wechseln, telefonieren auch mit Freisprecheinrichtung und Essen zählen. Wie immer alles zu unserem Schutz. Schutz vor was ?
Wahrscheinlich vor Unfällen. Das ist nun einigermaßen grotesk, da die Zahl der Unfallopfer in Deutschland stetig abnimmt.
Ich persönlich habe ja eine andere, wahlweise och eine alternative Theorie.
Nun Tiefensee ist fürchterlich bekannt als ein Minister, der eigentlich nichts so richtig hinkriegt. Wir denken kurz mal an die Privatisierung der Flugsicherung oder an die Privatisierung der Bahn. Also wenn er die gesetzliche Regelung fahrfremder Leistungen so akribisch vorbereitet wie seine anderen Projekte, brauchen wir uns wohl keine Sorgen machen, dass der Schwachsinn, den weg in die Gesetzbücher findet. Seis drum.
Jedenfalls geht die politische Ära des Ministers, dem selbst enge Mitarbeiter bereits die Spitznamen Pfütze oder Flachwasser verpasst haben, so oder so zu Ende. Selbst im äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass die SPD bei der nächsten Wahl nicht zur unbedeutenden Splitterpartei verkommt und aus irgendeinem Grund doch noch Regierungsverantwortung hätte wird Tiefensee in jedem Fall ausgewechselt. Das einzige was ihn tatsächlich retten könnte ist, dass es bei den Spezialdemokraten ja fast nur solche Idioten gibt, aber das ist ein anderes Thema.
Ursprünglich wurde das Thema fahrfremde Tätigkeiten von den deutschen Versicherern angeschoben. Es wäre naiv zu glauben, dass mit einem Gesetz, sollte es tatsächlich Unfälle vermeiden (irgendjemand wir doch da eine Studie zusammen gezimmert kriegen!), die Beiträge sinken würden. Tatsächlich geht es darum sich mit Hilfe des Gesetzes im Kleingedruckten aus Versicherungsansprüchen raus winden zu können. Ganz ordinäre Gewinnmaximierung. Darum müsste sich die Politik mal kümmern.
Ich jedenfalls würde jede Wette halten, dass Tiefensee nach seinem Ausscheiden bei einem großen Versicherer anheuert.
Immerhin eine Mehrheit ließe sich sicher für diesen Vorschlag finden, dafür würde schon Steinbrück sorgen. Wenn Essen während der Fahrt verboten ist, dann würde dies ja faktisch auch das Ende aller drive-in Schalter der fastfood Ketten bedeuten. Warum verbieten wir dann eigentlich nicht gleich mit? Egal.
Jetzt aber kommt der Knackpunkt an der Geschichte. Nach dem deutschen Steuergesetz wird auf alle Produkte die außer Haus verzehrt werden also drive-in lediglich der ermäßigte Steuersatz von 7% veranschlagt. Da aber die Gesetzestreuen in Folge dessen nicht mehr mitnehmen (wohin den auch, auf den nächsten Parkplatz?) wird hier zukünftig der volle Steuersatz fällig.
Eigentlich hätte ich gerne drei Themen daraus gebastelt, aber um all den Schwachsinn unserer Politik wider zu geben müsste ich zwischenzeitlich in Vollzeit schreiben.